Vom Kirschblütenchaos bis zum Kunstschrein: Wie mich Japan inspiriert hat (und mein Portemonnaie ruiniert wurde)
- Alessanara
- vor 4 Tagen
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 1 Tag

Es gibt Orte, die dich mit der Wucht eines sanften Bambuswedels in den kreativen Wahnsinn treiben. Japan war genau so ein Ort. Ich kam mit zwei Koffern, vielen Erwartungen und einem halb leeren Skizzenbuch im Kopf. Ich ging mit 4 Koffern, einer emotionalen Blütenexplosion im Kopf, einem inspirierenden Burnout, einer mentalen Erleuchtung und einer Kreditkartenrechnung, die mein Konto heute noch weinen lässt.
Aber es hat sich gelohnt. Oh, wie es sich gelohnt hat.

Ein Schrein, ein Wunsch, eine Dosis Heiligkeit
Am Benzaiten-Schrein in Kyoto stand ich mit ernster Miene, zerzaustem Pony (Wind sei Dank) und einer dünnwandigen Hoffnung in der Brust, dass da vielleicht irgendwas Größeres auf mich wartet. Ich tat das, was man als Künstlerin halt so tut, wenn man sich weit weg von seinem Alltag befindet: Ich betete für Inspiration. Für neue Ideen, für Mut zur Veränderung, für... vielleicht auch für ein bisschen mehr Motivation, endlich diese angefangenen Leinwände fertigzustellen. Und was soll ich sagen? Die Göttin hat geliefert. Nicht mit einem goldenen Lichtstrahl oder einem mystischen Vogelzeichen. Sondern mit dieser leisen, warmen Ruhe, die einem sagt: "Du bist hier. Und das ist gut so."

Kunst-Overload in Buchform: Ein Angriff auf meine Synapsen
Es begann unschuldig. Ein japanischer Buchladen. Ein wenig Zeit . Und dann: BAM! Ido Jakuchu.
Dieses Buch hat mich erwischt wie ein Tintenfisch auf Koffein. Die Tiermotive? Wunderschön, fein, detailverliebt bis zum Wahnsinn. Ich stand da, blätterte vorsichtig durch und wusste: Ich muss was mit naturfarbener Leinwand machen. Etwas, das nicht schreit, sondern flüstert. Etwas, das sich langsam in dein Unterbewusstsein schleicht, dir einen Tee anbietet und dann für immer bleibt.
Spoiler: Ich habe es gekauft. Und dann noch zwei weitere. Denn direkt daneben standen Illustrations-Bücher 2024 und 2025. Vollgepackt mit

zeitgenössischen japanischen Künstlern, Manga-inspirierten Stilen, farblichen Knallbonbons, absurden Perspektiven und Charakterdesigns, die direkt aus einem Traum stammen.
Mein Kopf hat parallel eine PowerPoint-Präsentation mit 37 neuen Projektideen gestartet, während ich noch überlegte, wie ich das alles nach Hause transportieren soll, ohne beim Zoll zu hyperventilieren ;_) .

Von Quallen, Hasen & anderen Inspirationsexplosionen
Und dann waren da noch die Tierchen.
Überall.
Und zwar nicht einfach nur Tiere, sondern niedliche, inspirierende, emotional manipulative Wesen mit Modelqualitäten. Die Hasen auf der Haseninsel? Ich schwöre, einer hat mir zugezwinkert. Die Hirsche in Nara? Profis im Posen. Und das Aquarium in Kyoto? Sagen wir es so: Ich habe mich spontan in einen Quallenhaufen verliebt und war kurz davor, Patenschaften für alle Quallen zu übernehmen.
Diese Tierbegegnungen haben etwas mit mir gemacht. Sie haben mich nicht nur zum Quieken gebracht, sondern auch zutiefst inspiriert. So sehr, dass mein nächstes Bild ganz sicher einem dieser Wesen gewidmet sein wird – vielleicht einem Hasen mit Tempelweisheit oder einem Goldfisch mit existentialistischer Tiefe. Wer weiß? Die Skizzen flüstern schon ;) .
Die Ruhe, die Blüten und der kontrollierte Wahnsinn
Japan ist seltsam. Auf die beste Art, die es nur geben kann.
Es ist so sauber, dass du als Westeuropäer permanent ein schlechtes Gewissen hast. Wirklich. Die Natur ist nicht nur präsent, sie wird gelebt. In Designs, in Riten, in Alltag und Kunst.
Und dann diese Ruhe. Selbst in der Großstadt liegt eine Art Gelassenheit über allem, als wäre irgendwo im Hintergrund eine Person, die leise „shhhhh...“ macht. Ich weiß nicht, ob es das gewisse Etwas oder wirklich etwas Heiliges ist, aber: Es wirkt. Ich habe dort zum ersten Mal verstanden, was "achtsame Kreativität" bedeuten könnte. Und dass mein innerer Dauerstress eventuell ein deutsches Exportprodukt ist.

Die Kirschblüten? Völliger Wahnsinn. Sie regnen auf dich nieder, während du denkst: "Ich sollte diese Szene malen, auf Seide, mit echtem Blattgold, und Musik von einem Koto-Spieler im Hintergrund." Spoiler: Ich habe sie stattdessen fotografiert. 174 Mal. In drei Stunden. #Künstlerkrankheit
Und ja, Blüten sind fester Bestandteil der japanischen Malerei. Mit Grund. Die machen was mit einem. Plötzlich willst du zarte Farben benutzen, obwohl du eigentlich der "Schwarz-Rot-Kontrast ist mein Leben"-Typ bist. Ich war kurz davor, mit Pastellkreide auf Reispapier zu arbeiten und mich in "Sakura Whisper Art" umzubenennen.

Kawaii ist Kunst. Punkt. Und Therapie.
Noch etwas, das ich liebe: Kawaii Designs. Sie lachen dich an, egal wo du bist. Auf Verpackungen, Straßenschildern, in Cafés und Tempeln. Alles ist irgendwie süß. Und während dein innerer deutscher Realismus noch fragt: "Muss das jetzt sein?", hat dein inneres Kind bereits 20 Stickerbögen gekauft und plant ein DIY-Bullet-Journal mit Fuchsohren.
Kawaii macht ernsthafte Dinge leichter. Vielleicht brauchen wir das in der Kunst mehr: Mut zur Leichtigkeit, zur Verspieltheit, zur Unvernunft. Nicht jedes Werk muss existenzielle Abgründe spiegeln. Manchmal reicht ein lachender Bär mit einem Matcha-Tee in der Hand, um die Welt für drei Sekunden besser zu machen.

Tosaiga. Mein neuer Kunst-Crush. (Sorry, alte Lieblingsstile.)
Ich besuchte ganz spontan eine Ausstellung von Tosaiga – ein Stil, der alte Techniken mit modernen Motiven kombiniert. Und ich war... hin und weg. So sehr, dass ich Postkartensets kaufte, als wären es Überlebensgüter. Als Dankeschön für den sehr hohen Preis, den ich bezahlte, habe ich ein super schönes Skizzenbuch geschenkt bekommen.
Dieses Skizzenbuch liegt nun bei mir. Noch unberührt. Aber es liegt nicht einfach nur da. Es wartet. Es schaut mich an mit einem leisen Flüstern: "Trau dich. Mach was Neues. Und mach's schön."
Ich spüre, dass dort Dinge entstehen werden, die es ohne diese Reise nie gegeben hätte. Vielleicht Pflanzenwesen mit goldenen Adern. Vielleicht ein Wal mit floralen Tattoos. Vielleicht ein japanischer Waschbär, der melancholisch in den Sonnenuntergang blickt. Ich weiß es noch nicht. Und genau das ist das Schöne daran.

Fazit: Verliebt. Verändert. Voller Ideen. Und total pleite.
Japan hat mir einen kreativen Tritt in den Hintern gegeben – aber in Seide gewickelt, mit Kirschblütenduft, einem Origami-Herz obendrauf und einem sehr freundlichen, aber bestimmten Blick. Ich habe Ideen, neue Techniken im Kopf, ein anderes Gefühl für Komposition, Raum, Farbe und Emotion – und einen neuen Respekt für das Zusammenspiel aus Natur, Kunst, Alltag und Zuckerwattewesen.
Ich weiß nicht, ob ich Japan je ganz begreifen werde. Aber ich werde es malen. Immer wieder.
Und wer weiß – vielleicht betet ja gerade eine andere Künstlerin am Benzaiten-Schrein. Für Inspiration. Für Veränderung. Für Kunst.
Ich wünsche ihr, dass sie sich so beschenkt fühlt, wie ich.
PS: Ja, ich habe auch kitschige Souvenirs gekauft. Nein, ich bereue nichts.
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